Canal du Midi
Am nächsten Morgen war ich traurig, diese tolle Stadt so schnell wieder verlassen zu müssen, aber es half nichts – wir mussten weiter. Unsere erste Station sollte der Canal du Midi sein. Der „Kanal des Südens“ ist insgesamt 240 KM lang und verbindet Toulouse mit dem Mittelmeer. Der Kanal wurde 1681 fertiggestellt. Schon lange vor dem Bau wurde der Wasserweg zwischen der Atlantikküste und der französischen Mittelmeerküste als wünschenswert angesehen, um den langen und beschwerlichen Weg rund um die Iberische Halbinsel zu vermeiden. Die Höhenunterschiede zwischen den Endpunkten des Kanals und seinem Scheitel erfordern eine Vielzahl von Schleusen.
Eine besondere Sehenswürdigkeit ist die sechsstufige (ursprünglich achtsstufige) Schleusentreppe von Fonserannes bei Béziers. Hier werden die Schiffe in sechs Etappen um 13,6 Meter gehoben bzw. gesenkt. Die Durchfahrt dauert je nach Richtung 30 Minuten bzw. 45 Minuten. Heute wird der Kanal fast nur noch touristisch genutzt. Letztere tun auch wir und steuern die berühmten 9 Écluses de Fonseranes an. Interessanterweise strahlte der Ort eine unglaubliche Idylle und Ruhe aus, obwohl etliche Touristen das Geschehen innerhalb der Schleusen beobachteten. Wir taten diesen gleich, ehe die Uhr uns daran erinnerte, dass wir doch noch etliches vorhatten.
Carcassonne
Es folgten 120 Kilometer über eine gut ausgebaute Straße, die sich – rechts und links gesäumt mit Feldern voller Weinreben – durch die Tiefebene schlängelte. Nicht unhübsch, aber auch nicht sonderlich spektakulär, eher die Kategorie „braucht man nicht unbedingt“. Wir brauchten die Strecke aber doch, denn die Straße brachte uns nach Carcassonne. Ein weiterer Tipp von Eric und ich wollte jetzt unbedingt die größte Festungsstadt in Europa sehen. Die berühmte Mittelalterstadt im Departement Aude gehört zum Welterbe der Unesco und zählt zu den meist besuchten Sehenswürdigkeiten in Frankreich. Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit. In dieser eindrucksvollen Festungsanlage in Frankreich lebten im Mittelalter bis zu 4.000 Menschen. Heute flanieren hier die Touristen innerhalb des doppelten Mauerrings durch die engen Gässchen der pittoresken Stadt.
Hat es sich gelohnt? Carcassonne ist eine absolute Tourihochburg und ich war lange hin und hergerissen hinsichtlich der Antwort auf diese Frage, bin dann aber zu einem Kompromiss gekommen. Sofern man in der Nähe ist, sollte man sich Carcassonne unbedingt ansehen, aber die 120 Kilometer unspektakuläre Strecke dafür auf sich zu nehmen, macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Eine ideale Kombination wäre der Besuch mit einer Tour durch die Pyrenäen und so ist auch schon die nächste Idee geboren.
Aude und Hérault
Eben umzingelten uns noch Touristenmassen und nun fuhren wir über Stunden mutterseelenallein durch die Natur. Bei Villeneuve-Minervois erreichten wir das Tor zum Tal Clamoux. Die Schlucht am Fuße der Montagne Noire präsentiert sich wild romantisch. Die Strecke schlängelt sich oberhalb des Flusses Clamoux kurvenreich durch diesen landschaftlichen Leckerbissen. Mit der Zeit wurde die Straße schmaler und ihr Zustand schlechter. Um letzteres kümmern sich allerdings die Franzosen immer sehr schnell. Das Allheilmittel scheint hier „Rollsplitt“ zu heißen. Dieser schmale Streifen Rollsplit schlängelte sich nun also kurvenreich durch sehr bewaldetes Gebiet und wir auf ihm in gemäßigtem Tempo. Noch während ich vor mir her fluchte breitete sich vor mir eine fantastische Aussicht über die Charaktervolle Region aus.
Am Col de Salettes auf 886 Meter Höhe hatten wir endlich das Department Aude verlassen und den nördlichen Teil des Héraults erreicht. Dieser zeigt sich hier von einer ganz anderen Seite als an der Küste. Den wesentlichen Teil des Hérault markiert der Regionalpark Haut Languedoc. Das Haut Languedoc erfreut sich einer bevorzugten geografischen Lage zwischen Mittelmeer- und Atlantikklima und hat infolge dessen unterschiedlichste Landschaften zu bieten. Dies wurde uns eindrucksvoll am Roc Suzadou präsentiert. Ein traumhafter Ort mit einer Aussicht, die wirklich wieder einmal den Atem stocken ließ und dazu eine unbeschreibliche Ruhe, die Richy allerdings recht schnell mit dem Surren der Drohne zerstörte. Am Horizont konnten wir sogar die Gipfel der Pyrenäen erkennen. Wieder ein Ort auf der Landkarte, den wir so schnell nicht vergessen werden.
Zwischenzeitlich war es spät geworden und nun mussten wir aber wirklich mal zusehen, dass wir die letzten Kilometer des heutigen Tages noch zügig wegfahren. In Fraisse-sur-Agout, dem 350 Seelenort mitten im Nichts, ziemlich abseits von jeglichen Großstädten auf 1000 Metern, erwartete uns unsere heutige Auberge. Morgens waren wir noch bei sommerlichen Temperaturen am Mittelmeer gestartet und nun saßen wir vor dem größten Kamin, den ich jemals gesehen habe auf 1000 Metern. Es war gemütlich und das Essen schmeckte fantastisch. Weiterlesen …